Vergesellschaftung von Kaninchen
In der Natur leben Kaninchen gesellig in Großfamilien. Die Einzelhaltung ist insofern nicht artgerecht und als tierschutzwidrig zu beurteilen.
Die gemeinsame Haltung von Kaninchen mit anderen Tieren (z.B. Meerschweinchen) kann das Bedürfnis nach einem Artgenossen nicht befriedigen und ist somit auch eine „Einzelhaltung“ von Kaninchen.
Wenn bei einzeln gehaltenen Langohren oder nach dem Tod eines Tieres ein neues Kaninchen in das Gehege eingeführt werden soll, kann es leicht zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Tieren kommen, so dass eine Vergesellschaftung als unmöglich betrachtet und das Tier weiterhin in „Einzelhaft“ belassen wird.
Um diese Situation zu vermeiden, sollen Ihnen die nachfolgenden Informationen Hilfestellung für das Zusammenbringen der Tiere bieten.
Platz zum Leben!
Die handelsüblichen Kaninchenkäfige sind in der Regel viel zu klein.
Die dauerhafte Einengung ist selbst für das Einzeltier schon ein Stress.
Bei einem zweiten Kaninchen kann kein Tier ausreichend Abstand von dem noch “unbekannten, fremden Zimmergenossen“ einhalten. Es muss dazu kommen, dass jedes Kaninchen darum kämpft, das jeweils andere aus dieser Beengung zu vertreiben.
Sie brauchen also einen ausreichend großen Auslauf (mindestens 4 qm für zwei Kaninchen) mit vielseitiger Einrichtung und Rückzugsmöglichkeiten, damit die Tiere sich zunächst dem Blickkontakt entziehen können („aus dem Auge, aus dem Sinn“ ), Deckung voreinander haben und die jeweiligen Individualdistanzen respektieren können. Nur so werden sie sich aneinander gewöhnen und Freundschaft schließen können.
Frauen sind anders, Männer auch !
Die richtige Geschlechterkonstellation ist von entscheidender Bedeutung für die erfolgreiche Vergesellschaftung von Kaninchen.
Bei ausschließlich gleichgeschlechtlicher Haltung von Kaninchen (zur Vermeidung der notwendigen Kastration) tritt eher Aggressionsverhalten auf.
Unkastrierte Böcke neigen untereinander, aber teilweise auch gegenüber den betreuenden Menschen manchmal zu einem durchaus problematischen Angriffsverhalten. Auch Mädels sind nach Erreichen der Geschlechtsreife meist ausgesprochen feindselig zueinander.
Optimal ist die gemeinsame Haltung von (mehreren) weiblichen Tieren mit einem (oder mehreren) kastrierten Böcken.
David und Goliath ?
Kaninchen gleicher Größe können gut gemeinsam gehalten werden.
Die Vergesellschaftung von Kaninchen großer Rassen mit Angehörigen kleiner Rassen kann bei Auseinandersetzungen aufgrund des unterschiedlichen Kraftpotentials böse Verletzungen für die Kleinen zur Folge haben.
Denken Sie daran: Für Kaninchen großer Rassen benötigen Sie auch größere Gehege!
Mehrgenerationenhäuser ?
Nicht ausgewachsene, noch sehr lebhafte und verspielte Jungkaninchen sollten nicht mit Alttieren vergesellschaftet werden. Ansonsten stellen Altersunterschiede keine Hürde für ein Zusammenleben von Kaninchen dar.
Gegensätze ziehen sich an
Wenn möglich, sollte man sich einen Eindruck von Temperament und Charakter des neu einzuführenden Tieres verschaffen.
Es ist ungünstig, sehr dominante Tiere miteinander zu vergesellschaften. Ein unterwürfiges Tier passt zu einem eher dominanten und umgekehrt.
Sich kennen und lieben lernen
Die erste Begrüßung eines Neuankömmlings ist nicht unbedingt sehr freundlich. Gegenseitige Attacken, kratzen, bejagen und bespringen (rammeln) gehören dazu und dabei fliegen auch schon mal Fellbüschel durchs Gehege.
Die Hierarchie muss geklärt und die Rollen des dominanten und mehr unterwürfigen Tieres verteilt sein, damit ein friedliches Miteinander entsteht. Diese Rollenverteilung kann sehr schnell erfolgen, zieht sich manchmal aber auch in immer wieder aufflackernden Rangordnungsritualen über mehrere Tage (bis zu 3 Wochen) hin.
Ein zu frühes, mitleidiges Eingreifen unterbindet diesen notwendigen Klärungsprozess und erschwert einen erneuten, zweiten Versuch. Ernsthafte Verletzungen sind jedoch nicht vollkommen ausgeschlossen, so dass eine genaue Beobachtung der Kaninchen
erfolgen muss.
Der häufigste Fehler !
„Die Tiere sollen sich doch erst einmal etwas kennenlernen und aneinander gewöhnen“ denken viele und stellen die Tiere in zwei Käfigen oder sonstwie getrennt unter Sichtkontakt nebeneinander.
Was so plausibel erscheint, ist absolut kontraproduktiv. Jedes der Tiere hat sein „eigenes Territorium“ und das jeweils andere ist der Rivale, der das eigene Gebiet bedroht. Es entsteht die Situation eines Nachbarschaftsstreits oder eines kalten Krieges. Sobald die Parteien dann aufeinander treffen, geht’s so richtig zur Sache, – wie im richtigen Leben !
…zu dir oder zu mir ?
Nein, am besten treffen sich Kaninchen an einem neutralen Ort. Wie oben bereits gesagt, ist den Kaninchen ihr eigenes Territorium heilig und ein noch fremdes Langohr wird primär als Widersacher eingeordnet.
Nun hat nicht jedermann ein geräumiges Zweitgehege zur Vergesellschaftung verfügbar. Also nehmen Sie doch einfach den Hausflur oder die Küche, insbesondere wenn das Tier „mit den alten Rechten“ sich dort kaum aufgehalten hat.
Im Zweifelsfall ist für das erste Rendezvous auch die kurzzeitige Zweckentfremdung der Wohnung von Freunden oder Bekannten sehr geeignet.
Gleichzeitig reinigen Sie intensiv das vorhandene Kaninchengehege, entfernen alle Einstreu, verändern die Konstellation der Einrichtungsgegenstände und überlagern die vorhandenen Duftmarkierungen durch Abwischen aller Oberflächen mit Essigwasser (nicht aber mit Chemie-Reinigern!).
Denn Duftmarkierungen entstehen nicht nur durch Kot- und Harnabsatz, sondern auch durch spezielle Duftdrüsen an Innenschenkeln und Kinn, mit denen Kaninchen ihre „Eigentumsansprüche“ im Revier dokumentieren.
Neues Spiel, neues Glück
Die Einrichtung des Kaninchenumfeldes muss man zu Anfang neu und ganz besonders ideenreich gestalten.
Es sollte mehrere „Häuschen“, die man auch vorübergehend aus Pappkartons herstellen kann, aufbieten. Dabei ist das Haus so bemessen, dass es entweder nur einem Tier Platz bietet, oder es muss in jedem Fall auch einen Hinterausgang als Fluchtweg bekommen.
Eine räumliche Gliederung kann man bewirken, wenn dickere Hölzer auf dem Boden ausgelegt werden.
Gut ist auch ein Sandkasten zum Buddeln. Eine flache Wanne gefüllt mit Sand und Grassoden ist eine höchst interessante Ablenkung.
Liebe geht durch den Magen
Im Überfluss gibt es weniger Anlass zum Streit. Ein vielseitiges Futterangebot, diverse Heuraufen, geschickt platzierte Möhrenstücke, Grünfutter und insbesondere Hasel-, Buchen- oder Obstbaumzweige sind immer wirkungsvolle Ablenkungen und steigern das Wohlbefinden in Gemeinsamkeit.
Gleichzeitig beugt das Anknabbern von Hölzern und Zweigen der Langeweile vor. Wer beschäftigt ist, hat keine Zeit zu streiten!
Wenn alles nichts hilft…
Der Ehrlichkeit halber muss man zugeben, dass es selbst bei Beachtung all dieser Hinweise passieren kann, dass die Vergesellschaftung von Kaninchen scheitert.
Vielleicht passt dann gerade diese spezielle Kombination nicht.
Sie sollten nicht gleich aufgeben und meinen, dass dieses Kaninchen doch wohl eher Einzelgänger sei.
Kaninchen haben unterschiedliche Charaktere und vielleicht passt in diesem Fall einfach die „Chemie“ nicht!
Bevor Sie aber nun Ihre beiden Kampfhähne auf Dauer trennen, kontaktieren Sie doch bitte andere Kaninchenliebhaber und versuchen Sie im Tauschverfahren ein neues Kaninchen zu bekommen.
Manche muss man eben zu ihrem Glück „zwingen“!